Tollwut

Die Tollwut ist eine seit Jahrtausenden bekannte Virusinfektion, die bei Tieren und Menschen eine akute lebensbedrohliche Encephalitis (Gehirnentzündung) verursacht. Synonyme sind Wutkrankheit, die Lyssa (griechisch), die Rabies (lateinisch) und die Rage (französisch). Früher benutzte man synonym auch die Hydrophobie (Wasserfurcht, ein Symptom). ICD10-Code: A82.9

Das Virus kann die meisten Arten warmblütiger Tiere betreffen, ist aber unter Nicht-Fleischfressern selten. Das stereotypische Bild eines tollwütigen Tieres ist der aggressive Hund mit Schaum vor dem Mund. Aber auch Katzen, Frettchen, Füchse, Dachse, Waschbären, Backenhörnchen, Stinktiere und die Fledertiere können tollwütig werden beziehungsweise die klassische Tollwut oder eine andere Form übertragen. Hinsichtlich der Fledertiere sind Vampirfledermäuse (Desmodus rotundus bzw. Desmodus spec.), bei insektenfressenden Fledertieren meist Fledermäuse (Microchiroptera) und bei fruchtfressenden Fledertieren meist Flughunde (sehr selten Megachiroptera) diesbezüglich festgestellt. Hauptüberträger ist in den europäischen Ländern der Fuchs, während beispielsweise in Indien streunende Hunde als Hauptinfektionsquelle gelten. Eichhörnchen, andere Nagetiere und Kaninchen werden sehr selten angesteckt. Vögel bekommen sehr selten Tollwut, da ihre Körpertemperatur höher liegt, als es für eine optimale Vermehrung des Virus notwendig ist. Tollwut kann sich auch in einer so genannten paralytischen Form zeigen, bei welcher sich das angesteckte Tier unnatürlich ruhig und zurückgezogen verhält.

Zwischen 40.000 und 70.000 Menschen sterben jährlich an Tollwut, die meisten in Asien (ca. 80 %) und in Osteuropa. Die Hälfte der Todesfälle weltweit betrifft Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. Ungefähr 10 Millionen Menschen werden jährlich behandelt nach einem Verdacht, sich der Tollwut ausgesetzt zu haben.



Erreger
Die verschieden ausgeprägte Tollwut wird durch zylindrisch geformte, behüllte Einzel(-)-Strang-RNA-Viren, (ss(-)RNA), der Gattung Lyssaviren aus der Familie der Rhabdoviridae verursacht. Bei all diesen Erregern werden derzeit insgesamt sieben Genotypen unterschieden:

  • Genotyp 1: Rabiesvirus (RABV) = klassischer Tollwutvirus
  • Genotyp 2: Lagos-Fledermausvirus (LBV)
  • Genotyp 3: Mokola-Virus (MOKV)
  • Genotyp 4: Duvenhage-Virus (DUVV)
  • Genotypen 5 und 6: Europäisches Fledermaus-Lyssavirus (EBLV 1, 2)
  • Genotyp 7: Australisches Fledermaus-Lyssavirus (ABLV)

    Diese Viren haben üblicherweise entweder eine spiralenförmige oder kubische Symmetrie. Dabei haben Lyssaviren eine spiralenförmige Form, d. h. ihre ansteckenden Partikel haben ungefähr zylindrische Gestalt.

    Ausgenommen Genotyp 2 sind bei allen anderen oben aufgezählten Genotypen Tollwutfälle beim Menschen beschrieben.

    RNS-Viren können durch tagelange Trockenheit und starke Sonneneinstrahlung beziehungsweise durch Desinfektionsmittel oder hohe Temperaturen, z. B. bei der Hitzesterilisation, inaktiviert werden.



  • Übertragung
    Das Virus gelangt über die Hirnnerven zu den Speicheldrüsen seines Wirts und ist im Speichel des an Tollwut erkrankten Tieres vorhanden. In der Regel wird es durch einen Biss übertragen; jedoch kann es auch über Kontakt des Speichels mit bestehenden kleinen Hautwunden übertragen werden. Für eine Übertragung durch Tröpfcheninfektion ist eine viel höhere Virusmenge nötig als bei der Übertragung durch Wunden.

    Eine Übertragung durch Schleimhäute ist beobachtet worden. Möglicherweise geschah eine Übertragung in dieser Form bei Menschen, die von Fledermäusen bevölkerte Höhlen erforschten. Außer bei der Organtransplantation (drei Fälle in den USA zu Beginn des Jahres 2004 und drei Fälle in Deutschland Anfang 2005) ist die Übertragung von einer Person zur anderen in der westlichen Welt in den letzten Jahren nicht beobachtet worden. Dies wurde durch aktive Impfprogramme an Tieren und den Abschuss von erkrankten Tieren möglich. In anderen Ländern, vor allem in Asien und Afrika kommt es immer wieder zu lokalen Ausbrüchen.



    Krankheitsverlauf beim Menschen
    Nach der Infektion eines Menschen durch den Biss eines infizierten Tieres bleibt das Virus für etwa drei Tage in der Nähe der Eintrittspforte, vermehrt sich dort und gelangt dann über das Innere der Nervenfasern der peripheren Nerven bis in das Rückenmark und schließlich ins Gehirn. Vom Zentralnervensystem, das als Schaltstelle benutzt wird, verbreitet sich das Virus in die peripheren Organe. Ist das Virus durch den Biss direkt in die Blutbahn gelangt, erreicht es das Zentralnervensystem sehr viel schneller. Nur während der mehr oder minder langen Frühphase, also in den ersten Stunden, ist noch eine postexpositionelle Impfung sinnvoll. Sobald das Virus das Gehirn erreicht hat, ist eine Impfung nicht mehr wirksam.

    Die Inkubationszeit - also die Periode zwischen der Infektion und den ersten grippeartigen Symptomen - kann bis zu zwei Jahre dauern, normalerweise sind es jedoch 3 bis 12 Wochen. Es wurden jedoch auch Inkubationszeiten von bis zu 10 Jahren glaubhaft dargelegt.

    Das Virus verursacht eine Encephalitis (Gehirnentzündung), worauf dann die typischen Symptome erscheinen. Es kann auch das Rückenmark befallen, was sich in einer Myelitis (Rückenmarksentzündung) äußert. Bei der Übertragung durch einen Biss in Arm oder Bein äußern sich häufig zuerst Schmerzen an der gebissenen Extremität. Sensibilitätsverlust entsprechend der Hautdermatome ist regelmäßig beobachtet worden. Daher werden viele, vor allem atypische Krankheitsverläufe zunächst als Guillain-Barré-Syndrom falsch eingeschätzt. Bald danach steigern sich die zentralnervösen Symptome wie Lähmungen, Angst, Verwirrtheit, Aufregung, weiter fortschreitend zum Delirium, zu anormalem Verhalten, Halluzinationen und Schlaflosigkeit. Die Lähmung der hinteren Hirnnerven (Nervus glossopharyngeus, Nervus vagus) führt zu einer Rachenlähmung, verbunden mit einer Unfähigkeit zu sprechen (bei Hunden heiseres Bellen) oder zu schlucken - dies ist während späterer Phasen der Krankheit typisch. Der Anblick von Wasser kann Anfälle mit Spasmen des Rachens und Kehlkopfs hervorrufen. Der produzierte Speichel kann nicht mehr abgeschluckt werden und bildet Schaum vor Mund oder Maul. Die Hydrophobie und die Schluckbehinderung verhindern die Verdünnung des Virus, was seine Virulenz erhöht. Geringste Umweltreize, Geräusche, Licht führen zu Wutanfällen, Schreien, Schlagen und Beißen, wobei das hochkonzentrierte Virus schließlich übertragen wird.

    Die Erkrankung kann auch in der stummen Form verlaufen, bei der ein Teil der genannten Symptome fehlt. Jedoch findet sich unabhängig von der Verlaufsform bei der Bildgebung mit dem Kernspintomographen eine Aufhellung in der Region des Hippocampus und am Nucleus Caudatus. Fast immer tritt 2 bis 10 Tage nach den ersten Symptomen der Tod ein. Die wenigen Leute, von denen bekannt ist, dass sie die Krankheit überlebten, hatten schwerste Gehirnschäden davongetragen.



    Krankheitsverlauf bei der Katze
    An Tollwut können alle Säugetiere und bedingt auch Vögel erkranken. Die Inkubationszeit beträgt im Regelfall 2 bis 8 Wochen. Die Krankheit dauert zwischen einem Tag und einer Woche und endet praktisch immer tödlich. Die Krankheit beginnt häufig mit Wesensveränderungen.

    Erkrankte Katzen miauen ständig und reagieren aggressiv auf Reizungen. Es folgen Schluckstörungen, starkes Speicheln, Schaum vor dem Maul, sowie heraushängen der Zunge (rasende Wut). Häufig zieht sich eine erkrankte Hauskatze zurück, im Endstadium kommt es infolge von Lähmungen zum Festliegen. Die Phase der rasenden Wut kann auch fehlen und die Tollwut gleich mit den Lähmungserscheinungen beginnen (stille Wut). Es kommen auch atypische Verläufe vor, die zunächst einer Magen-Darm-Kanal-Entzündung (Gastroenteritis) gleichen.

    Bei freilaufenden Katzen führt eine Tollwut häufig zum Verlust der natürlichen Scheu vor dem Menschen.



    Therapie
    Es gibt kein bekanntes Heilmittel gegen Tollwut. Die Krankheit ist bei Tieren praktisch immer tödlich. Beim Menschen wurde nach einer Infektion und Überschreitung der Frist für eine Postexpositionelle Prophylaxe in letzter Zeit eine Behandlung mit antiviralen Medikamenten, Virostatika, und zeitgleichem künstlichem Koma zur Stoffwechselreduzierung versucht. Diese Therapieversuche waren jedoch bisher nicht erfolgreich, da nur einige wenige Patienten eine solche Behandlung mit schwersten Gehirnschäden überlebten. Als erster Mensch, der eine solche experimentelle Therapie nach einer Infektion weitestgehend ohne schwerwiegende Folgeschäden überstanden hat, gilt die US-Amerikanerin Jeanna Giese. Am 12. Mai 2006 starb ein Jugendlicher in Houston, Texas, an Tollwut als Folge eines Fledermausbisses, obwohl diese experimentelle Therapie angewendet wurde.


    Prophylaxe
    Die Erkrankung kann jedoch durch rechtzeitige Impfung verhindert werden. Die Tollwut verdammte ursprünglich jeden, der daran erkrankte, zum Tode, bis Louis Pasteur 1885 die erste Tollwut-Impfung entwickelte und gebrauchte, um das Leben von Joseph Meister zu retten, der von einem tollwütigen Hund gebissen worden war.

    Heutige Impfstoffe sind relativ schmerzlos und bestehen aus inaktivierten Viren, welche in humanen diploiden Zelllinien oder Hühnerfibroblasten angezüchtet werden. Die Impfung bei Katzen sollte jährlich erfolgen.

    Eine Impfung kann auch Stunden nach einem Biss noch erfolgreich sein. Für eine nachträgliche Impfung bleibt mehr Zeit, wenn die Wunde relativ weit vom Kopf entfernt ist und durch den Biss keine venösen Blutgefäße verletzt worden sind. Das Robert-Koch-Institut gibt Richtlinien für die postexpositionelle Impfung vor!

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